Path of Exile 2 verfehlt das Spielgefühl von Path of Exile 1

Path of Exile 2 verfehlt das Spielgefühl von Path of Exile 1

Ein unausgeglichenes Verhältnis von Anfang an

Wer Path of Exile 1 über viele Jahre gespielt hat erkennt sehr schnell dass sich Path of Exile 2 grundlegend anders anfühlt. Und zwar nicht nur anders sondern unausgeglichen. Der Vergleich zu Hardcore Ruthless aus PoE1 drängt sich regelrecht auf. Für alle die diesen Modus kennen war er bewusst extrem langsam gnadenlos und kompromisslos. Genau dieses Gefühl vermittelt PoE2 aktuell und das nicht erst im Endgame sondern bereits ab Akt 1.

Spätestens nach dem Verlassen von Clearfell Encampment wird deutlich dass hier etwas nicht stimmt. Schon in der ersten spielbaren Map der Akte mit dem Namen Clearfell trifft man auf Gegner die zu schnell angreifen zu schnell zaubern und sich deutlich schneller bewegen als es der eigene Charakter zulässt. Das Verhältnis zwischen Spieler und Gegner fühlt sich von Beginn an ungleich an.

Bosse und selbst normale Mobs verfügen über hohe Attack Speed hohe Cast Speed sowie eine deutlich erhöhte Movement Speed. Der Spieler hingegen hat unabhängig vom Build kaum Zugriff auf diese Werte. Kein spürbarer Movement Speed kein verlässlicher Dodge Skill keine echte Skalierung von Attack Speed oder Cast Speed. Egal ob Nahkampf Fernkampf oder Zauber das Grundgefühl bleibt gleich eingeschränkt.

Mini Bosse fühlen sich wie Mini Ubers an

Besonders auffällig ist dass sich dieses Problem nicht nur auf Bosse beschränkt. Auch normale Gegner sind oft zu stark zu schnell und zu aggressiv. Viele Mobs wirken so als wären sie bereits auf einem Schwierigkeitsgrad angesiedelt der deutlich später im Spiel kommen sollte. Fehler werden sofort bestraft oft ohne echte Reaktionsmöglichkeit.

Mini Bosse verschärfen dieses Gefühl noch weiter. Gefühlt tauchen alle paar Minuten Gegner auf die stärker wirken als Uber Bosse aus PoE1. Natürlich ist das sarkastisch und bewusst überzeichnet gemeint. Aber genau darin liegt das Problem. Das Spiel erzeugt dieses Gefühl tatsächlich. Mini Bosse fühlen sich wie Mini Ubers an während man selbst spielerisch kaum Werkzeuge bekommt um damit umzugehen.

Dabei wirken viele Bosse auf den ersten Blick vielfältig. Unterschiedliche Animationen unterschiedliche Angriffe unterschiedliche Arenen. Mechanisch fühlen sie sich jedoch erstaunlich statisch an. Oft läuft es auf das gleiche Muster hinaus ausweichen hoffen durchhalten. Taktische Tiefe oder spielerische Freiheit wie man sie aus PoE1 kennt entsteht dabei selten.

Der Druide mit Wyvern, Werwolf und Bär

Ein Punkt, der durchaus positiv hervorgehoben werden muss, ist die Einführung des Druiden. Die Umsetzung der Tierformen ist handwerklich auf einem sehr hohen Niveau. Der Bär wirkt im Spiel unglaublich präsent, wuchtig und kraftvoll und ist visuell absolut fantastisch umgesetzt. Auch Werewolf und Wyvern überzeugen durch starke Animationen und eine sehr hochwertige Darstellung. Hier zeigt sich deutlich, was die Engine von Path of Exile 2 leisten kann.

Der Wechsel zwischen den drei Formen erfolgt über ein bestimmtes Item und erlaubt es, flexibel zwischen ihnen zu wechseln. In der Praxis wird der Werwolf fast ausschließlich für die höhere Geschwindigkeit genutzt, der Bär für maximale Stärke und Durchhaltevermögen, während der Drache meist eher aus Neugier oder optischem Reiz gespielt wird. Diese Nutzung war so nicht beabsichtigt, hat sich aber ergeben, weil Spielerinnen und Spieler schnell erkannt haben, welche Form welche Lücke im Spielgefühl überhaupt schließen kann.

Problematisch ist jedoch, dass selbst diese gelungenen Konzepte das Spielgefühl nicht nachhaltig verbessern können. Trotz Bär, Wolf und Drache fehlt es weiterhin an grundlegenden spielerischen Werkzeugen. Kein spürbarer Movement Speed, kein echter Dodge Skill, keine Skalierung von Attack Speed oder Cast Speed. Viele Spieler nutzen sogar mehrere dieser Tierformen gleichzeitig, nur um sich halbwegs flüssig fortbewegen zu können. Nicht weil es spielerisch reizvoll ist, sondern weil es anders kaum funktioniert.

So stark die Animationen von Bär, Werewolf und Wyvern auch sind, sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich diese Builds schlichtweg nicht frei spielen lassen. Ohne die nötigen externen Mechaniken fehlt die Dynamik, die solche Formen eigentlich tragen müsste. Das Ergebnis ist Frust statt Flow, selbst bei einem der visuell besten Aspekte von Path of Exile 2.

Build Freiheit auf dem Papier nicht im Spielgefühl

Ein weiteres Symptom dieses Ungleichgewichts zeigt sich beim Leveling. Trotz all der angekündigten Freiheit beim Kombinieren von Skills und Klassen bleiben Contagion und Essence Drain weiterhin die bevorzugten Leveling Skills. Nicht weil sie besonders spannend sind sondern weil sie schlicht funktionieren. Das macht das System nicht attraktiver sondern entlarvt es. Wenn von hundert möglichen Skill Kombinationen am Ende wieder nur wenige sinnvoll sind läuft etwas falsch.

Die anfängliche Skepsis war gering als PoE2 angekündigt wurde. Die Idee Skills und Klassen massiv zu mischen klang nach Freiheit und Vielfalt. Das Ergebnis fühlt sich jedoch eher nach einem Kompromiss an. Von allem ein bisschen aber nichts richtig. Builds wirken unfertig während Gegner vollständig ausgebaut erscheinen.

Path of Exile 2 sollte sich langsam wieder stärker an Path of Exile 1 orientieren. An dem Spiel das seit über zehn Jahren von der Community gefeiert wird. Schwierigkeit war dort vorhanden aber sie fühlte sich fair an. Der Spieler hatte Werkzeuge Optionen und Kontrolle. Genau das fehlt aktuell.

Schwieriger ist nicht automatisch besser. Wenn das Kräfteverhältnis von Anfang an kippt entsteht kein motivierendes Gameplay sondern Frust. Path of Exile 2 hat enormes Potenzial aber aktuell fühlt es sich an als würde der Spieler permanent hinterherlaufen während Bosse und Mobs auf einem ganz anderen Level agieren.

Wenn Path of Exile 2 langfristig überzeugen will muss dieses Ungleichgewicht korrigiert werden. Mehr Tempo mehr Kontrolle und mehr echte Build Freiheit für den Spieler. Sonst bleibt vom großen Versprechen am Ende nur ein sehr hübsch verpackter Hardcore Ruthless Modus übrig.

Fazit von Webstratege

Path of Exile 2 wirkt aktuell trotz großer Erwartungen eher wie ein Titel mit begrenzter Halbwertszeit. Der anfängliche Hype war ohne Frage vorhanden. Zum Ligastart verfolgten rund 230.000 Zuschauer das Geschehen auf Twitch. Doch bereits am darauffolgenden Montag, nur vier Tage nach Beginn der Liga, lag die Zuschauerzahl nur noch bei etwa 47.000. Ein Rückgang dieser Größenordnung ist auffällig und kann durchaus als Indikator für das nachlassende Interesse gewertet werden.

Dabei muss man berücksichtigen dass die Zuschauerzahlen vermutlich zusätzlich künstlich gestützt wurden. Einerseits durch doppelte und teilweise dreifache Drop Aktionen. Zuschauer erhielten Drops allein durch das Zuschauen und zusätzliche Belohnungen durch das Verschenken von Abonnements. Solche Maßnahmen erhöhen kurzfristig die Reichweite sagen jedoch wenig über die tatsächliche Begeisterung für das Spiel aus.

Ohne diese Anreize dürfte das Interesse vermutlich noch schneller abgefallen sein. Es entsteht der Eindruck dass Path of Exile 2 für viele Spieler bereits nach wenigen Tagen seinen Reiz verliert. Sollte sich dieser Trend fortsetzen besteht die Gefahr dass das Spiel spätestens nach einer Woche einen Großteil seiner aktiven Spielerschaft verliert.

Zum Vergleich zeigt Path of Exile 1 ein ganz anderes Muster. Dort spielen viele im Kern der Community vier bis sechs Wochen durchgehend eine Liga. Manche sogar zwei oder drei Monate bis zur nächsten Liga. Selbst wenn die Zuschauerzahlen schwanken bleibt die aktive Spielerschaft stabil. Genau diese Langzeitbindung scheint Path of Exile 2 aktuell zu fehlen.

Das ist schade denn das Potenzial ist ohne Frage vorhanden. Doch wenn Spieltempo Balance und Spielgefühl nicht nachhaltig tragen reicht ein starker Start allein nicht aus. Langfristiger Erfolg entsteht nicht durch kurzfristige Drops sondern durch ein Gameplay das die Spieler freiwillig hält.